Violetta – Alicias Zauberpferd (für meine Tochter Livia)

  • Post published:26. April 2020

Violetta war ein wunderschöner Rappeetwas mehr als fünf Jahre alt und stur wie ein Esel. Hanspeter Dällenbach hatte schon oft damit geliebäugelt, dieses Pferd zu verkaufen, denn es hatte aus seiner Sicht ein paar Macken und Mucken zu viel. Nicht nur galt sie als undressierbar, machte alles wonach ihr der Kopf stand, sondern sie zickte blöd beim Stallen, war wählerisch bei der Nahrung und vertrug sich auf der Koppel eher schlecht als recht mit den anderen Gäulen der Pferdepension, die Hanspeter mit Rita, seiner Frau, führte. Nur, strenggenommen gehörte Violetta eben nicht ihm, sondern er hatte sie seiner Tochter Alicia zu deren siebtem Geburtstag vermacht. Und Alicia, Hanspeters ganzer Stolz und Augenstern, tja, die kleine mittlerweile zehn Jahre alte Alicia, die konnte es mit diesem Pferd ausgezeichnet. Als einzige. Wie das genau ging, war Hanspeter schleierhaft. Von aussen gesehen, war es sogar eine richtig „gspässige“ Angelegenheit. So verneigte sich Alicia zum Beispiel jeweils, wenn sie Violettas Stall betrat, sagte: „Hier, ein Apfel“, wenn sie eine Karotte gab oder sie gab dem Pferd rechts die Sporen, wenn sie links abbiegen wollte. Hanspeter hatte natürlich gedacht, dass wenn er es gleich machen würde, Violetta auch bei ihm spuren würde. Aber denkste. Die blieb bockig. Hanspeter blieb also nichts anderes übrig, als diese Umstände zu akzeptieren. Alicia würde schnell grösser werden und könnte deshalb auch immer mehr der Violetta-Pflege übernehmen – so der Plan von Hanspeter und natürlich auch derjenige von Alicia. Nun war es so, dass Alicia um die Unregierbarkeit ihrer Stute wusste. Es tat ihr auch leid für ihren Vater, den sie so richtig fest gern hatte. Auf der anderen Seite fand sie Violettas Macken auch irgendwie lustig, einzigartig. Alicia war aber auch die einzige, die wusste, dass Violetta nicht von der Erde kam und sich wiehernd mit ihr unterhalten konnte. Und auf dem Heimatplaneten von Violetta gehörte das Verdrehen von Befehlen zur Normalität. Ebenso, dass diese verdrehten Befehle nur bei der Besitzerin des Pferdes funktionierten und die Pferde sonst komplett frei waren und sich ihr Leben selbst gestalteten. Tja und die Besitzerin war nun halt einmal Alicia. Ebenfalls wusste niemand, dass Violetta – nur bei Dunkelheit natürlich – fliegen konnte. Manchmal kam es deshalb vor, dass Alicia mitten in der Nacht durch Violettas Pöpperlen mit dem Kopf an die Scheibe im Erdgeschoss geweckt wurde, um gemeinsam in der Luft durch die Gegend zu streifen. Dies alles, die spezielle Beziehung zum Pferd, das Reiten, das Fliegen, machte Alicia zu einem richtig glücklichen Mädchen. Okay, gerade die Nachtaktivitäten hatten in der Schule am nächsten Tag manchmal etwas Nachteile, weil Alicia müde war oder sich einfach nicht konzentrieren konnte und lieber zum Fenster rausschaute, wo sie den Spitz der Pferdekoppel ihres Hofes sah. Das wurde durch die leicht besorgten Lehrerinnen an den Elterngesprächen auch immer wieder zum Thema gemacht. So lange Alicia aber sonst fit war und auf der anderen Seite in der Klasse ihr niemand das Wasser reichen konnte bezüglich ihrem Wissen über Tiere der Nacht, über die regionale Topographie oder auch solange niemand fantasievollere Geschichten schrieb als Alicia, konnten die Gründe zur Besorgnis recht gut verdrängt werden.

Was aus den beiden wird, weiss ich auch nicht so genau. Vielleicht nimmt Violetta Alicia mal auf ihren Planeten mit? Vielleicht. Oder was meinst du, Livia, mein allerliebstes Pferdemädchen? Was meinst du?