Wie dass unser Claro-Laden im Dorf Monat für Monat überlebt, ist mir schleierhaft. Alleine an der kostengünstigen Freiwilligenarbeit kann es nicht liegen, die Miete für die Geschäftsräumlichkeiten sowie die angebotenen Waren wollen schliesslich dennoch bezahlt sein. Aber es soll an dieser Stelle auch nicht um Umsatzzahlen, Ethik und Ästhetik gehen, sondern um die aktuell das ganze Schaufenster einnehmende Kreideanschrift: «Zugreifen! Stark provoziert!» Nun weiss man ja nicht erst seit Trumps Herrschaft und seiner niveaumässig unterirdischen erneuten Präsidentschaftskandidatur, dass sich Provokationen exzellent verkaufen. Es ist darum nachvollziehbar, im Zeitalter von X («vormals Twitter», wie es aus journalistischen Nostalgiegründen in den Zeitungen jeweils heisst), TikTok, Instagram & Co. auf diese stupide Aufmerksamkeitserhaschungsschiene zu setzen. Aber, hey Leute, in Höchi? Also bitte! Der gewählte Slogan würde doch viel besser zur Polizei passen, die ja bekanntlich tief im Fachkräftemangelsumpf feststeckt. So ein aufmachungsmässig an ein altes «Uncle-Sam-sucht-Armeeangehörige» erinnerndes Plakat mit der Aufschrift: «Hey du! Ja, du! Fühlst auch du dich durch nigerianische Drogendealer und die Antifa stark provoziert? Dann warte nicht länger, komm zur Polizei und greif mit uns zu», das würde doch ganz unwiderstehlich gute Action für testosteronhungrige Bubis versprechen. Aber durch Bio Fairtrade-Kaffee, Manuka-Honig, Beluga-Linsen, Kreuzkümmel, Pajuli-Duftstäbchen, Sonett-Waschmittel oder durch einen aus Altmetall gebastelten VW-Bulli fühle ich mich doch längst nicht provoziert. Die wenig verfügbaren Arbeitsprozente dürfen kein Argument für schlechtes Marketing sein, entrüste ich mich aus einem plötzlichen Furor heraus. «Das muss doch auch anders gehen», doziere ich innerlich vor mich hin und freue mich, Ihnen nach einem lediglich zweiminütigen Brainstorming stolz folgenden alternativen Werbespruch anbieten zu dürfen: «Bio und Fair für deine Klamotten, dein Magen, deine Haut und dein Hair. Trete ein und erfahre mehr» Na, was meinen Sie? Das hat doch Zupf? Das ist doch der Brüller? Oder etwa nicht?
Aber wahrscheinlich treffe ich Sie längst im Tiefschlafmodus an, denn Sie haben natürlich schon beim ersten «provoziert» gecheckt, dass es «reduziert» heissen müsste.
Okay okay, ist gut. Ich verspreche Ihnen, dass ich keine Schaufensterbeschriftungen mehr aus dem Augenwinkel lese. Schönen Tag noch.
Ich meinte ja nur.