«Drake steigt beim FC Vaduz ein», teilt mir das Schweizer Morgens-an-jedem-Bahnhof-rumsteh-Ramschblatt mit. «Soso», denke ich, «ein weiterer Star also, der sein Portfolio aufmotzt. Ist ja nicht der Einzige, der jüngst in einen Sportklub investiert hätte. Auch logisch, wo denn sonst sollten all die Sheerans, Durants und Reynolds all ihre Moneten reinstecken? Diversifikation heisst das Credo der Stunde.» Nur, dass der Rapper gerade in den putzigen Rheinpark Geld reinbuttern will, irritiert mich im ersten Augenblick schon ein wenig. Das Stadion hat zwar, potzblitz, laut Angaben auf der Vereinswebseite eine vollautomatische Beregnungsanlage und eine integrierte Frostfreihaltung und auch der Klub an sich weiss durchaus zu gefallen mit seinem «Crazy Ball» zur Fasnachtszeit, den zwei Fangruppierungen «Sektion Nord» und «Rheinwölfe 04» (in guten wie in schlechten Zeiten!) oder dem zwei Mal jährlich erscheinenden Vereinsmagazin, das mit «V32» fast so verschworen geheimbündlerisch tönt wie anno dazumal «P-26». Man muss sich, wenn man spannend sein will, eben zu helfen wissen. Hilfreich für die Attraktivität des Klubs mag auch sein, dass dem, der auf Google, schön englischsprachig einfühlend, nach dem «Vaduz FC» sucht, keck folgende Frage als weitere Suchoption entgegenploppt: «Kann der FC Vaduz Schweizer Meister werden?» (fussballverbandtechnisch: ja, tatsächlich), was bei jemanden von aussen durchaus zu einer falschen Annahme und einem wohlwollenden «Sieh-mal-einer-an-das-hat-Potential»-Nicken führen könnte. Kehren wir aber in die Realität und den schmürzeligen 5’874 Sitzplätzen, die die Sportstätte zu bieten hat zurück, siehts doch eher wieder düster aus. Denn diese Platzkapazität reicht dem Megastar doch allerknappstens für ein etwas ausgedehnteres Privatfestchen mit DJ, Rasenpicknick sowie überdimensionierter Sahnetorte. Währenddem es Christian Constatin, der mit seinem Heli bekanntermassen nicht ungern in Kleinstadien landet, durchaus auf die Gästeliste schaffen könnte, dürfte es für die eigenen Spieler des FCV ziemlich sicher eng werden. Ihren Frust darüber, besitzt zu werden und dennoch nicht erwünscht zu sein, könnte ich zwar gut nachvollziehen, aber wer sich in den Spielerporträts der 1. Mannschaft mit plumpen Lebensmottos wie «gib alles, nur nie auf», «steh einmal mehr auf, als du hinfällst» oder den Evergreens unter der Motivationsspeeches schlechthin «wo ein Wille, da ein Weg», «harte Arbeit zahlt sich aus» und «jeder Tag ist eine neue Chance, deine Träume zu verwirklichen» schmückt, der darf sich nicht wundern, dass der neue Miteigner sie nicht zum Tête-à-Tête bittet. Weil zu spüren, dass man auch verbal tief in der Challenge League festsitzt, wäre des Guten wohl zu viel für den Musiker (minime Chancen sehe ich da übrigens einzig beim Ersatztorwart Leon Schaffran, denn der sagt – eine hochgestreckte Rockyfaust dazu würde sicher nicht schlecht passen – : «Wenn es dich nicht mehr kümmert, was andere von dir denken, hast du die höchste Stufe der Freiheit erreicht.») Zur Ehrenrettung der Spieler muss allerdings gesagt sein, dass auch der vermeintliche Rapgigant Drake mit seinem verbal immer wieder etwas anders verpackten «Bitches–hoes–yo–raw shit–give a fuck–nigga shoot out–I’m livin Sinatra lifestyle and working on Forbes list–ahaa–every song sounds like a Drake song featuring Drake–yeah »-Gedudel sprachlich gesehen bisweilen sehr kleine Brötchen bäckt.
Halt, wo bin ich sapperlot stehen geblieben?
Ah ja, immer noch bei der Frage nach der Motivation für ein finanzielles Engagement beim FC Vaduz. Das sehr mittelmässig herzige Maskottchen «Wolfi» eilt mir zu Hilfe und knurrt mir liebevoll in die Ohren: «Du Dödel, schau noch einmal ganz genau in seine Playlist rein, dann wird dir schnell klar, dass das Investment nicht ein zufälliger Reflex des Feuerspuckers gewesen ist, weil da hätte er verwandtschaftstechnisch besser beim HC Fribourg-Gottéron angesaugt, sondern es war ein «Rich Flex», tscheggssch, wruff, jauuul, see ya.» Und da dämmert es mir endlich: Das Fürstentum Liechtenstein, das den FC Vaduz beheimatet, liegt eben nicht nur hübsch gelegen wie ein Märchenland «am schönen Rhein» und «in der Mitte Europas», wie mir die Tourismusverantwortlichen des Landes im Internet darlegen, sondern die «Monarchie in den Alpen» beheimatet als gerade mal sechstkleinster Staat der Welt nicht weniger als elf unterschiedliche Banken. Macht auf 14,5 Quadratkilometern oder auf 3’636 Einwohner eine Bank. Nicht schlecht, Herr Specht, da hat Drake ja ziemlich die Qual der Wahl, in welchem Geldinstitut er seinen Zaster hinterlegen will. Da es sich bei Drakes Einstieg beim FCV schon fast um eine staatliche Angelegenheit handeln dürfte, schliesse ich nicht ganz aus, dass bei diesem Deal auch noch Fürst Hans-Adam II und sein Sohn, Erbprinz Alois, ihre Finger im Spiel hatten. In einem dezenten, abhörsicheren Hinterkämmerchen des Schlosses Vaduz werden sie Drake – vor lauter Diskretion mit vorgehaltener Hand – sicher ins Ohr gesäuselt haben, warum dass ein Anlegen im Fürstentum aus ihrer Sicht Sinn macht. Man schwinge eben nicht nur bei den einschlägigen Ratingagenturen für Banken immer noch mit einem Triple-A obenaus und operiere im Finanzsektor, ganz im Gegensatz zum USA-Schleimer Schweiz, immer noch geheimer als das Bankengeheimnis selbst (Geld zu waschen dürfe also das kleinste Problem darstellen), sondern man entrichte in ihrem Lande zudem kaum Steuern und auch um den exquisiten Schalternachwuchs in den Banken müsse man sich auf keinen Fall Sorgen machen, der sei auf Jahre hinaus solid gesichert. Nicht für nichts schenke man jedem einheimischen Elternpaar zur Geburt eines Sprösslings als allererstes ein Set mit HSG-Schnullern, damit auch ja von Anfang an klar sei, wohin es mit der beruflichen Karriere der Kleinen irgendwann einmal gehen solle. Drake wird daraufhin selig an einer edlen Zigarre gezogen, Vater sowie Sohn von Liechtenstein mit einem Blinken seines goldenen Zahngrills beglückt und in wohlig warmen Wortwölkchen gedacht haben, hier sei es ja noch besser als im Land Oz, ein monetärer Virginia Beach in den Bergen quasi.
Ich drifte wieder ab, Entschuldigung.
Zeit, mich zur Raison und zu Fokus zu zwingen, was ich mit drei Mal krampfhaft die Augen zudrücken auch tatsächlich schaffe. Und siehe da, por fin löst sich das Rätsel auf. Da es nach dem dritten Mal Käfer C mit meinem Immunsystem und mit den chronisch erhöhten Homocysteinwerten nicht zum Besten um mein Sehvermögen steht, habe ich mich natürlich verlesen. Drake hat seine läppischen 30 Milliönchen nicht etwa für den FC Vaduz locker gemacht, sondern für den italienischen Serie A-Aufsteiger FC Venezia. Beim Klub der Lagunenstadt hat das immerhin schon mal für ein aufgefrischtes Logo gereicht. Der Löwe hat, jammer jammer, keine Flügel mehr, dafür ist seine Visage direkt ins «V» integriert. Nett.
Was mit «Wolfi», dem Rheinpark oder dem «Crazy Ball» passiert wäre, wenn es anders gelaufen wäre, wir werden es nie erfahren.
Schade.