Probefahrt

  • Post published:23. April 2020

Tatort Quartierstrasse in Münchenbuchsee. Ich stehe gerade fasziniert vor einer Pfütze, in welcher sich in schon fast absurder Schönheit ein knorriger Apfelbaum spiegelt, als in beträchtlicher Geschwindigkeit ein blauer Kehrrichtwagen an mir vorbeifährt. Auf der Längsseite des Fahrzeugs ist ein Plakat aufgezogen, auf welchem Folgendes draufsteht: „Probefahren? Kehrrichtautos von Schwendimann.“ Das nenn ich nun mal wirklich eine Ansage. Ich meine Probefahren, das kann man ja mal aus Jux mit dem hässlichsten SUV aller Zeiten, dem BMW X6, machen. Aber mit einem himmelblauen Kehrrichtauto? 

Dann sehe ich aber doch den Reiz dahinter, weil sich das Nützliche mit dem Praktischen genial verbinden liesse. Ich würde nämlich mit so einem grossen „Chlapf“ quer durch den Kanton Bern fahren und all meine Freunde besuchen gehen. Die würden vielleicht Augen machen, wenn ich vor ihrer Haustüre aufkreuzte, ultraboomboxmässig auf die Hupe drückte und ihnen breit lächelnd vom Führerstand aus zuwinkte. Sie würden dann sicher das Küchenfenster öffnen und laut fragen: „Stuwi! What the fuck…?“, worauf ich Ihnen entgegnete: „Probefahrt, siehst du ja. Wenn du mir einen heissen Kaffee servierst, darfst du mit mir eine Runde durchs Quartier drehen. Und falls du noch ein vor sich hingammelndes 2er-Sofa im Keller stehen hast, dass du gerne loswerden möchtest, schmeiss nur hinten rein, die Presse erledigt den Rest. Genial, oder?“ 

„Morge“, holt mich die sonore Stimme eines mich kreuzenden Hündelers in die Realität zurück. „Morge“, erwidere ich den Gruss, setze meinen Spaziergang fort und denke: „Schade, es hat sich doch gerade so gut angefühlt hinter dem grossen Lenkrad.“