Buddhakinder, das sind diese Kleinkinder, die von ihren Eltern oder alternativ auch superflexibel durch irgendjemand Dahergelaufenen (mit Betonung auf irgendjemand) auf einer Kuscheldecke platziert werden können und dann wahlweise stundenlang vor sich hinglotzen, übers ganze Gesicht strahlen oder – wenn überhaupt – sich mit einem einzigen Gegenstand (zum Beispiel einem Gummiring) selbst bespassen. Es sind auch die, die ein paar läppische Wochen nach ihrer Geburt schon durchschlafen, problemlos alles essen, was man ihnen nach ein paar Monaten reinschiebt und brav die Kinderkrankheiten ausbrüten, die man allgemein gut kennt und sich leicht behandeln lassen. Diese Buddhakinder sind dann auch lieber früher als später bei allen Unternehmungen ihrer Eltern (oder von irgendjemandem) mit dabei, da schon per definitionem nah an Ritter Sport: quadratisch, praktisch, gut. Wer ein Buddhakind kriegen soll, entscheidet ein fieser Zufallsgenerator irgendwo da draussen im weiten Orbit. Ich weiss, dass das so ist, da helfe ich nicht diskutieren. Erst recht nicht mit all denjenigen debil-sanftmütig-lächelnden Eltern, die des Kindes Buddhaeigenschaften gerne von ihrer eigenen inneren Ruhe ableiten oder so tun, als sei die Ruhe im Wasserglas alles nur eine Frage des Erziehenwollens. Grrrrrr.
Sie hören, mich frisst der Neid. Meine Kinder – keine Sorge, ich liebe euch trotzdem bis zum Mond und zurück – waren nie Buddhakinder. Auch nicht ein bisschen, weil das ist das Spezielle an Buddhakindern, die gibt’s nur ganz oder gar nicht. Wenn Sie jetzt einwenden, ich könne das doch unmöglich so pauschal behaupten, es müsse doch auch Kinder in so etwas wie einer grauen Verhaltensschnittmenge geben, also Teilzeitbuddhas quasi, dann muss ich Sie leider enttäuschen. Buddhakinder arbeiten Vollzeit. Bei allen anderen Kindern handelt es sich eindeutig um Nichtbuddhas, die einfach per Zufall gerade einen guten Halbtag einlegen.
Aber eigentlich wollte ich an dieser Stelle gar nicht über Buddhas im Kinder-, sondern über diejenigen im Erwachsenenformat reden. Die gibt es nämlich auch. Etwas seltener zwar aber doch noch nicht vom Aussterben bedroht. Abgesehen von einem überdurchschnittlichen Vorkommen in Form von Mitarbeiter:innen in Kinderparadiesen von grossen Kaufhäusern, hätte ich spontan behauptet, dass es sie in allen Berufsgruppen etwa gleichmässig verteilt gibt. So auch in Form eines Kassierers in der Migros des Hauptbahnhofs Bern. Glauben Sie mir, Sie möchten mir an einem normalen Fibroaufwachmorgen ganz sicher nicht bereits um 06.50 Uhr oder wenn, dann nur in einer prima gepolsterten Rüstung begegnen. Stichwort «grumpy cat». Aber für den Kassenbuddha war das absolut kein Problem. Denn er ruhte wie ein tonnenschwerer Findling in sich selbst, was ihm bizarrerweise etwas Superleichtes verlieh. Wissen Sie, wie ich das meine? Ja, verdammt, vor lauter Zentriertheit schwebte der Kerl förmlich. Hinzu kamen rosig-glühende Wangen, eine wohltemperierte Stimme, ein engelhaftes Lächeln (wozu der strenge Ministrantenscheitel auch ganz vorzüglich passte) und eine ungeheuchelt-unverkrampfte Freundlichkeit, die nicht nur aus einer herzlichen Begrüssung, einer wattigen Entschuldigung, weil er einen Artikel grad nicht im System fand, sondern auch aus einem Minismalltalk bestand. Seine totale Stressresistenz übertrug sich augenblicklich auf mich und ich erlebte einen Moment der totalen Ruhe. Ein wenig hatte es sich angefühlt, als sei ich ein Jünger eines Gurus, der soeben eine tiefe Lebensweisheit mit auf den Weg bekommen hatte.
Solche Situationen und die damit verbundenen positiv-erdenden Emotionen hätten mir eigentlich, als die Kinder noch klein waren, viel öfters passieren dürfen, plapperte mein Verstand vor sich hin. Dann folgte aber ein wahrhaft Buddhaesker Gedanke, der die Geschichte auch schön abzurunden wusste: «Na gut, dann halt im nächsten Leben.»