Hirsch auf dem Balkon

  • Post published:28. April 2020

Wenn Anfang Dezember die richtig dunkle Zeit ansteht, brennen ja mittlerweile nicht nur dem Amerikaner, sondern auch dem Schweizer (ja richtig, dem männlichen) die Sicherungen durch. Ihr fragt euch bestimmt, woran man dies erkennt. Nun, er lässt Licht werden. Strom sei Dank. Lichterketten werden an Hausgiebeln oder an Bäume gehängt, illuminierte Päckli sowie nach unten tropfende Eiszapfen werden installiert und Hirsche mit Schlittenanhängern im Garten, auf Garagendächern oder auf dem Balkon deponiert. Soll nur ja jeder sehen, dass der Nikolaus auch bei diesem Haushalt einen Stopp eingelegt hat. Falls dies dann von aussen doch nicht jedem Deppen klar sein sollte, besteht die Möglichkeit, eine mannshohe Puppe an der Regenrinne hochhangeln zu lassen. Capisce? So witzig. So originell. Kann mich kaum halten.

Jetzt aber zurück zur Lichtorgie. Für sie gibt es eigentlich nur ein passendes Wort: Aufrüstungsspirale. Wer nicht mitzieht, ist lustfeindlich, hat den Kapitalismus nicht begriffen, mag keine leuchtenden Kinderaugen oder verkennt die Option, dass der Mann sich ein wenig als Elektriker produzieren darf, während die Frau den Adventskranz bindet. Endlich, endlich gibt es so etwas wie eine Arbeitsteilung im Haushalt. Und ein konstruierter Frieden in vorweihnachtlich durchgeschüttelten Paar- und Familienbeziehungen, das ist natürlich nicht zu unterschätzen. 

Ich gebe es ja zu: Je älter ich werde, desto empfindlicher reagiere ich auf diesen Kitsch. Man darf mich diesbezüglich ruhig Nostalgiker nennen, weil früher, ja früher war bestimmt alles… anders.