Es gibt Schöneres als einen frühmorgendlichen Termin zur Neuraltherapie (NICOs im Mund spritzen, bwäh). Auf dem Weg zu meinem Hausarzt steige ich an der RBS-Station Bolligen auf den Bus Richtung Ittigen-Mannenberg um und nehme dankbar aber auch etwas irritiert zur Kenntnis, dass mir eine bunte Traube Jugendlicher, die Richtung Steinerschule unterwegs ist – wohl aufgrund meines hinkenden Ganges – einen Sitzplatz anbietet. Interessiert schaue ich mir die einzelnen Köpfe der Teens an und im Verlauf der Fahrt überkommt mich eine Heiterkeit, die so überwältigend ist, dass ich mir kurz vorstellen kann, wie Drogenkonsum sich anfühlen muss.
Warum?
Nun, an den vielen Fokuhilafrisuren, den abgetschäderten Asics oder New Balance Sneakers, den schlammfarbenen XL-Fleecejacken wird’s nicht liegen, denn was bereits zu unserer Jugendzeit eine schreckliche Falle machte, sieht, nur weil Zeit vergangen ist, heute leider keinen Deut besser aus. Es ist auch nicht die Irritation, um das wesentlich vielfältigere Spiel mit den Geschlechteridentitäten, die mich zum interessierten Beobachter macht, nein, es ist der ganze jugendliche Alltag, der sich vor meinen Augen in kompakter Form eingedampft präsentiert und an den sich meine eigenen Zellen selbst erinnern, als wäre es gestern gewesen.
An der Schwelle zum Erwachsenensein kommt so viel zusammen, dass es sich anfühlt, als lebe man in einer komprimierten Zeit ein ganzes, in sich geschlossenes Leben. Diese überbordenden Emotionen (erste Disco, erste Liebe, erste Reisen ohne Eltern), dieses Erahnen von Tiefe (Glaubens-, Gesellschafts-, Freundschaftsthemen), diese absolut grossartige Vorstellung von unbegrenzten Möglichkeiten (andere nennen das Utopien – ich wage zu behaupten: so nah dran an seinen ureigenen Fähigkeiten ist man danach nie mehr, weil Kollege Essig Verstand vor lauter selbst oder fremd anerzogener Rationalität viel zu viele Wege genüsslich zukleistert), diese Musikvernarrtheit, dieser Trieb herausfinden zu wollen, wer man in seinen tiefsten inneren Schichten ist oder wer oder was man sein und darstelllen möchte, diese für viele letzte Phase finanzieller Sorglosigkeit. Dieses 360 Grad um sich herum sprudelnde Leben mit Hicks und Tricks und Ups und Downs, dieses von flott-kreativer Jugendsprache und durch spontanes Gelächter gezeichnete allgemeine vor sich hinglühen, es gibt mir Hoffnung. Und wie.
Als ich noch Oberstufenlehrer war, fragten mich nicht wenige an der Schwelle zum entsetzt sein, warum um alles in der Welt, ich mir die «anstrengenden» und chronisch sich danebenbenehmenden Teens denn antue.
Warum?
Darum!