Wieder einmal Bahnhof, immer wieder wild wechselnde, mittlerweile digitale Plakate. Diesmal von meiner Lieblingspartei, der FDP, äh ah nein, den Liberalen natürlich. Die sind schon flott im Wahlkampf. Zwei Köpfe: Männli, Wiibli. Beim Männli, Seitenprofil, Typ bürgerlich Normalo, bünzliges, kurzhaarleichtgegeltes Haar, obacht Dreitagebart (!) steht „rational“. Beim Wiibli, Typ Petra Gössi, nur jünger, heissts „emotional“. Herzlich willkommen in der Geschlechterklischeekiste. Und das kurz vor dem Frauenstreik. Mutig. Oho, dann passiert aber etwas Freches, Aufmüpfiges, Provozierendes, SVP light quasi, denn das „emotional“ bei der Frau wird durchgestrichen und ebenfalls durch „rational“ ersetzt. Wow, Bombe. Die FDP macht auf Fortschritt, nämlich Gleichstellung. Wiibli ist jetzt gleich Männli – endlich bei Verstand und nicht so lästig hormonverseucht. So kann Politik gemacht werden, weil Politik, liebe FDP, ist ja immer rational und Männer ganz sicher nie emotional. So wie die Klimaerwärmung ein rein rationales Problem ist. So rational, dass Menschen, die nahe am Meer leben und dem Pegelanstieg quasi zusehen können, nie emotional reagieren, wenn sie merken, dass ihr Leben gerade dabei ist vor die Hunde zu gehen. Sie sind nicht verzweifelt, sie packen das ganz rational an, ganz bestimmt.
Und jetzt liebe FDP sage ich dir, dass mir unforciert, ja quasi ultraspontan sowas von die Kotze hochkommt. Ihr seid so verdammte Klimaarschkriecher, Opportunisten und marktgläubig, dass es einen die Schuhsolen absprengt. Well, ich könnte sogar noch weiter ausholen, aber ich lass es dabei bewenden, weil ich kein Jota Energie mehr aufwenden mag, eine Partei zu dissen, die mich als Wähler ganz offensichtlich für absolut bescheuert hält.
Gleichberechtigung ist nichts für Parolen, sondern für blanke Zugeständnisse (durchaus auch gesetzlicher Art). Dann: Unsere Umweltprobleme lassen sich nicht über den Markt regulieren, der Markt ist keine Zauberhand, kein David Copperfield, kein verdammtes Land Oz.
Und zuletzt: Wenn ich mich für Politik interessiere, dann zwar auf der einen Seite immer für stichhaltige Argumente, für Konsenslösungen. Links ist bei weitem nicht alles nur heiter grün. Auf der anderen Seite: Politik ohne Emotionen? Es geht doch um Überzeugung, um Herz, um Menschen (ob Mann oder Frau), da sind doch Emotionen NORMAL. Der Rest: Arschkriecherei.
Aber hey: Friedensvorschlag: Du fügst beim Plakat und beim Mann ein „emotional“ hinzu und sagst vielleicht noch „weil wir alle Menschen sind“ und die Sache ist gegessen, weil du dir die Mühe gibst, die Wirklichkeit abzubilden. Vielleicht bist du sogar so mutig und notierst noch: „Achtung: Partei auf Schlingerkurs“, dann wird es schon fast sympathisch und ganz weit weg vielleicht sogar für jemanden wählbar, der keinen Porsche fährt, kein Haus besitzt und die Hecke nicht auf Millimeter trimmt.