Der Zauberer

  • Post published:17. August 2021

85-jährig ist er bestimmt. Ganz bestimmt. Mit zersaustem weissen Bart steht er in Riemenledersandalen am Kiosk. Die Jeans fleckig und an den Hosenenden mehrere Male hochgekrempelt, der dünne Ledergürtel abgefuckt. Oben trägt er ein knallrotes T-Shirt von Hilfiger. Auf dem Kopf ein New York Yankee Baseballcap mit hartem Riesensonnendach. Kurz: Das Männchen ist äusserlich ein äusserst bizzares Kuddelmuddel. Er wartet, bis er an der Reihe ist, tänzelt dabei von einem Bein aufs andere. Als ihm die Kioskverkäuferin höflich zunickt, schwebt er zur Auslage. Zweimal Brunette gibts, eine NZZ Plus (also inklusive Blick) sowie ein Schläckseckli. Bezahlen? Mit Kärtli gerne. Und dann geht der Vorhang zur ganz grossen Bühne auf. Mit der rechten Hand zückt er seine Börse aus der Hosentasche und wirft sie in einem Bogen in die linke Hand, wo sie durch eine elegante Handgelenksbewegung aufflappt. Dann zückt er behände mit Daumen und Zeigefinger seine Bankkarte, lässt den Mittelfinger zum Zeigefinger gleiten, dreht die Karte um 180 Grad und hält sie in einem 45 Grad Winkel ans Zahlterminal. Das Ganze erinnert an eine trudelnde Messerschmitt, die soeben in der Luftschlacht über England abgeschossen worden ist und in den Ärmelkanal stürzt. Oder an einen finalen Stich im Degenfechten. Es folgt eine kurze Nachfrage seinerseits an die Kioskfrau: „Hets gfunket?“ Die Kioskfrau nickt verdattert. Der Mann: „Suber.“ Und schon ist er weg. Der Zauberer. Wohin? Keine Ahnung. Machte Eindruck. Sicher. Wiederholung? Unmöglich. Ein Geschenk? Auf jeden Fall!

Für M.Z. Energieausgleich. Berührt. Danke, danke, danke!