Wer chronisch krank ist, lässt nichts unversucht, um Linderung zu erfahren. So bemühe ich mich etwa seit Monaten, meinen geschreddeten circadianen Rhythmus wieder auf die Reihe zu kriegen. Dies aus dem simplen Grund, weil ich weiss, dass meine Mastzellen, die Nebennieren und damit die natürliche körpereigene, antientzündlich und gesund wirkende Cortisolproduktion, meine Neurotransmitter und mein Vitamin D-Spiegel das zu schätzen wissen. Mal ist mir dabei mehr Erfolg beschieden, mal weniger. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann: egal wie fragmentiert und zerkaut ich aus einer leider regelmässig schlechten Nach komme, mit der Sonne aufzustehen, das hat was. Diese unterschiedlichen Morgenstimmungsschattierungen, dieser Zauber der Farben am Himmel, wenn die goldene Kugel noch knapp hinter einem Emmentaler Hügel am Horizont hockt, dieses Hoffnung Machende immer und immer wiederkehrende humorvoll-lebensbejahende «Halllööle-Tagchen-Licht-Wärme-und-Energie-gefällig?»-Gedöns, das ist fantastisch. Völlig legitim, wenn mich jetzt all die Gärtner*innen, Dachdecker*innen und Bauarbeiter*innen an dieser Stelle für das Abfeiern dieser Art des Aufstehens auslachen. Für sie ist es eh das Normalste der Welt ab 06.45 Uhr den ganzen Tag bei Wind und Wetter draussen zu chrampfen und zu wärchen. Nur möchte ich an dieser Stelle einwenden, dass der andere grosse Teil der Arbeitnehmenden, der in der so genannt «modernen» Arbeitswelt sein Pensum runterwurstelt, einen ganz anderen Takt verfolgt. Nämlich schiesst sich dieser bereits auf dem Arbeitsweg im Zug, Bus oder im Tram, indem er auf seinem Handy Emails bearbeitet oder Termine sortiert und dann nachfolgend 8½ Stunden in Innenräumlichkeiten mit dem Computer Projekte managet ganz ordentlich mit künstlichem Licht ab. Den krönenden Abschluss am Abend mit Feierabendbier und Chips vor der TV-Röhre noch nicht einmal eingerechnet.
Aber um all das soll es in dieser Geschichte eigentlich gar nicht gehen. Sondern, es geht darum, dass ich als Frühaufsteher nach meiner ausgedehnten Morgenroutine, dann wenn die Beine noch besser mitmachen, im Dorfzentrum jeweils meine Besorgungen für den Tag erledige. Es geht um ein bestimmtes Bild, welches sich mir dort jüngst beim Coop präsentierte. Nicht etwa dasjenige, dass man immer in etwa die gleichen senil oder unsenil Bettflüchtigen – natürlich die obligate Viertelstunde zu früh – unruhig vor Sesams Pforten hin- und hertigern sieht. Nicht etwa, dass einem die Mitarbeiter*innen im Konsum kurz nach 8 Uhr – noch ganz damit beschäftigt, emsig die Frischwaren zu bigelen – einen bösen Blick schenken, weil man empfindlich ihren Einräumablauf stört. Sondern, es geht um den Einkaufskörbchenturm, der sich mir beim Eingang präsentierte. Denn dieser war schlichtweg riesig. So gross, dass ich es mit meinen 1.80 Metern Körpergrösse und mit ausgefahrenem Greifarm gerade so mit meinen Fingerspitzen schaffte, ein Körbchen rauszuhieven. Und dieses klobig-lotterige, an den Schiefen Turm von Pisa erinnernde Konstrukt, schaffte es, in mir eine ungeheure Heiterkeit auszulösen. Denn ich stellte mir dabei gleich mehrere Dinge vor: Etwa, wie ein aufgestängelter Lehrling sich beim Aufschichten diebisch darüber freute, dass er seinen Auftrag tipptopp erledigt und es gleichzeitig geschafft hatte, die etwas kleiner geratene Kundschaft vor ein kleines Montagmorgenproblem zu stellen. Wie das dann aussah, als eben die nicht so grossen Kund*innen probierten, hüpfend und verzweifelt auf Zehenspitzen rumtrippelnd, sich grösser zu machen, als sie sind. Und zuletzt, wie sich wildfremde Menschen vor dem monumentalen Plastikkörbchendöner begegneten und sich über eben diesen austauschten, wie sie dabei kopfschüttelnd ins Lachen gerieten, sich darüber echauffierten und fluchten oder wie sie sich ganz einfach gegenseitig halfen, damit auch ja jede und jeder noch ein Körbchen ergattern und seine Einkäufe erledigen konnte.
Sie sehen: aufstehen, wenn die Sonne aufgeht, das lohnt sich.