Cooptankstellenshopheimat

  • Post published:26. April 2020

Komisch so Tankstellenshops. Früher ging mir schon nur der seltsame Mischgeruch, der von Tiefkühlregalen, Aufback- und Zeitungswaren, Kaffeeautomat, Einzelbananen und leichtem Putzmittel ausging, ziemlich auf den Sender. Und dann dieses 24-Stunden-offen-Zombilicht, grässlich. Heute hingegen finde ich das Ganze, nun ja, okay. 

Vielleicht liegt das daran, weil ich mich dort gerne mal mit einem zusatzstoffreichen Muffin belohne, wenn das Selbstbedauern vor dem Arbeiten gehen überhandnimmt. Vielleicht liegt es aber auch an der Kinderdroge „Mütschli“, auf die ich dort jederzeit – gemein aber effektiv – zurückgreifen kann, wenn es mir auf dem Autorücksitz zu bunt wird. Ja, ich gebe zu: Der durch unsere Supercard-Daten ganz schön ausgebuffte Warenmix, der fasziniert mich. Dieses sorgfältig arrangierte scheinbar Grosse im Kleinen. Dieses schmeichelhafte Alltags-Duty-Free-Arrangement, wow! Da stehen Studi- und Baustellenklassiker wie der BIG-Laugengipfel unmittelbar neben Minigürklein für Barbies oder sonstige Fitnessfanatiker. Wasabi-Nüsschen für verwegene Apéro-Helden, die es bei Kolleginnen mal „mutig“ krachen lassen wollen, koexistieren mit den Ananas-Häppchen, welche mit dem winzigen Plastikgäbelchen doch so „witzig“ an den letzten Fernurlaub erinnern. Oder da gibt es natürlich auch den unbarmherzig verschnürten 0815-Feldschlösschen-6-Packs-Block, welcher nicht nur (endlich) feiernde YB-Fans zuverlässig und ordentlich bitter happy macht.   

Aber eigentlich mag ich ja vor allem das Schlange stehen. Den anderen über die Schulter gucken und sich so seine Gedanken über deren mögliche Lebensläufe machen, die ich natürlich gar nicht kenne, die ich mir aber aufgrund derer Autowahl trotzdem bunt auszumalen erlaube. Ich meine, es gibt halt einfach Unterschiede zwischen, sagen wir einmal einem blankgewienerten silberfarbenen Mercedes S 65 AMG Coupé und einem tiefer gelegten blauen Subaru Impreza mit RRRRRRRoollendem Boxermotor, gelben Sternen und einem Namensschild beim Fahrer mit der Aufschrift „Hämpu“. Faszinierend. 

Das Beste kommt aber zum Schluss: die Kassierer und Kassiererinnen. Zum Beispiel der kleine, muskelbepackte Signorino-TJ-Mutant, bei welchem mir fast ein „Piiips“ oder „Jööö“ rausgerutscht wäre, wenn der nur nicht so bös geknurrt hätte, weil ich ihm anstatt einer 50er-Euronote, die ich noch im Portmonee gehabt hatte, die 50-dänische-Kronen-Note, die dort ebenfalls steckte, geben wollte. Macht ja auch nur seinen Job. Oder das hübsche Mädchen aus dem Dorf, das bei der Tanke gleich um die Ecke wohnt, Soz studiert und wirklich jedem Kunden so ein goldenes, luftigleichtes Lächeln schenkt, dass man sich mit schlechtem Gewissen fragt, warum man denn unmittelbar zuvor um Himmelsgottswillen so böse in die Welt geschaut hat. Oder Frau Gerber – Marke unverwüstlich – deren Stimme wie ein nur mittelmässig geöltes Scharnier tönt und welche in noch nie gesehener Effizienz den Kundenstrom mit „Grüessech“, „Macht sövu“, „Supercard?“ sowie „Adieu, Danke“ wegarbeitet. 

Ja, so Tankstellenshops, die sind ganz schön seltsam. Da steht ein „Hier bin ich zuhause“-Heimatgefühl ebenso im Regal wie ein flämmelndes, fast ein wenig bizarres Fernweh. Letzteres fühlt sich nach Jahren Abstinenz schon fast neu an. Schon alleine deswegen finde ich Tankstellenshops, nun ja, ganz okay.