Zu behaupten, Grosshöchstetten sei eine heisse City, ist bestimmt übertrieben. Das Dorf liegt am Übergang zwischen Agglomeration und Land, einige nennen es sogar etwas beflügelt: «Das Tor zum Emmental». Im Zentrum hat es ein grösseres Coop mit integriertem Jumbo-Baumarkt, ein Ärzte- und Physiozentrum, eine Apotheke, ein Bastel- sowie ein Wollgeschäft (Mona-Lisa & Wullechratte), einen Sportladen (vergessen Sie in Zukunft SportX und dergleichen und gehen Sie, wenn die Wintersaison ansteht zum Kellersport, Sie werden es nicht bereuen, versprochen!), zwei währschaften Landbeizen (Löwen & Pintli), zwei Coiffeurläden (Schnitt B & Magic), einen Unverpacktladen (Kicherärbsli), eine Confiserie (Glasura), einen Floristen mit grossen Ideen und noch grösserer Instagram-Reichweite (Floraline by Blumenmann), eine Schule, die alles vom Kindergarten bis zur 9. Klasse abdeckt, eine innovative Dorfbibliothek sowie neuerdings eine Hypnosepraxis, deren Laufkundschaft – zumindest aus der Ferne betrachtet – weder einen Lauf hat, noch aus einer Kundschaft besteht. Kurz: Höchi bietet das, was man Ü30 und mit kleinen Kindern, etwas abgebrannt vom hippen Stadtleben vielleicht, sucht. In 30 ÖV-Minuten ist man entweder in Thun oder Bern, mit Garageplätzen wird auch nicht gegeizt. Wer zur Arbeit fährt, pendelt halt und geniesst bei der Rückkehr, wenn nicht gerade auf den übriggebliebenen Landwirtschaftsflächen gedüngt wird, die gute frische Luft. Summa summarum ergibt das eine ganz ordentliche Lebensqualität. Böse Zungen behaupten zwar, hier sei es abgesehen von den Kühltürkonzerten bisweilen ein wenig schnarchig, aber das machen die zahlreichen spontanen Schwätzchen mit Nachbarn und Bekannten auf der Dorfstrasse bei weitem weg.
Also wie gesagt, Höchi ist nicht gerade Downtown Manhatten und wird weder mit der Gestaltung des Kreisels noch mit dem etwas aus dem Ruder geratenen Architekturmix jemals einen Wakkerpreis gewinnen. Aber Höchi ist eben auch bei Weitem kein kleines Dorf mit einigen dahingewürfelten Emmentaler Bauernhäusern und einem Löschweiler mehr.
Gerade letzteres muss aber definitiv eine Frage der Betrachtung sein. Jüngst kreuzte ich nämlich am Bahnhof Grosshöchstetten den Weg von zwei jungen Frauen, die sich in ihren fluffigen Moncler-Daunenjacken und bewehrt mit monströsen pinken und himmelblauen Rollkoffern Richtung überbetrieblichen Kurs für Detailhandelsassistent*innen Textil im Neuhauspark aufmachen mussten. Und als diese aus dem Zug von Burgdorf herkommend ausstiegen, sich mit comicartig riesigen Klimperaugen schockiert umsahen und sich übersprungshandlungsartig mit gigantischen künstlichen Fingernägeln ihre glatten Haare sortierten, meinten sie in einem Dialekt, der eindeutig dem Grossraumdunstkreis Zürich zuzuordnen war: «Ooooh mein Goooott, i was für emne Kaff si mier denn doo glandeeet?». Was natürlich sofort in zwei Selfies (eins Richtung Garage Haldimann, eins Richtung Bahnhofkiosk) dokumentiert und in den Untiefen des World Wide Web geteilt werden musste. Angereichert vermutlich mit einigen verzweifelten Hashtags wie #omg, #completelylost, #wherethefuckarewe, #feellikeanalien, #ichwillnurnochnachhause, #5ggrenze? oder #jetzterstmaleinezigi.