Boltshausers Wutausbruch light

  • Post published:8. April 2020

Boltshauser, Chef der Schuh- und neuerdings auch Outdoorbekleidungsfirma „Bolz’s“ lehnte sich in seinem Chefsessel zurück und malte sich in glühenden Gedanken aus, wie er seinen Finanzverantwortlichen, Franz Müller, so was von zur Schnecke machte: „Franz, du verdammter kleiner Arschkriecher! Bereitet es dir eigentlich Freude, mir mit deinem Zahlensalat den Tag zu vermiesen? Hast du denn nichts Besseres zu tun, als mir immer wieder die Gehörgänge damit zu dehnen, wir sollten unser Amerika-Geschäft mit den Nanotextilien für hippe Gesundheitsbergsteiger schleunigst flachlegen, weil die aggressive Expansionspolitik uns sonst plötzlich das Genick bricht! Und dies, obwohl wir doch endlich gerade erfolgreich dabei sind, mit unserem Dauerbrenner, den Gesundheitsschuhen, im Heimmarkt Mephisto Kunden abzujagen? Mir ist schon klar, dass die Chinesen im Textilgeschäft wieder mal ihre ganze Sojasauce reinschütten und alles über die Marge machen, während wir bestenfalls Walliser Roggenbrot backen aber so tun, als sei das alles luftiges Baguette. Oder wer glaubst du, ist hier der Chef? Wereliwer? Wer entscheidet über Sein oder Nichtsein unserer Geschäftsstrategie? Wer hat den „Brand“ „Bolz‘s“ vor 23 Jahren gegründet, hat ihn gross gemacht, kennt jeden einzelnen Nagel des Unternehmens? Wer hat Adolf Ogi, dieses Alpenalphatier, als Werbebotschafter für die „Boltwalk“-Schuhe ins Boot geholt? Wer ist mit Roger Federer salopp per Du? Wer…., wer…, wer… ?“ Und so weiter und so fort. Ja, Müller würde in sich zusammensinken, bis er nicht mehr grösser wäre als eine Maus. Eine klitzekleine Maus.

Es klopft an der Tür. Boltshauser kehrt in die Realität zurück und fällt urplötzlich in sich zusammen, so als hätte ihm jemand den Stecker gezogen. Nach fast zehn Sekunden Wartefrist nörgelt er müde: „Nun komm schon rein!“ Müller, der spröde Finanzverantwortliche von „Bolz’s“, tritt ins Chefbüro ein, streicht sich seine strähnigen Haare zu einem akkuraten Scheitel, richtet seine nickellose Brille und räuspert sich nervös: „Hans, jetzt hör mal, wegen dem Amerika-Geschäft…“ Boltshauser hebt nur matt die rechte Hand, winkt ab und sagt: „Ist ja schon recht, lieber Franz, ich weiss, ich weiss, die Zahlen lügen nie. Die Chinesen haben Sojasauce und wir nur Walliser Roggenbrot.“ Müller zieht fragend die Augenbrauen hoch. „Veranlasse den sofortigen Shut-Down in Trumps Homeland. Wir konzentrieren uns ganz auf unser Kerngeschäft, die Mephisto-Fakes. So, wie wir es schon immer gemacht haben.“ Müller glättet mit seiner rechten Hand emsig die dünne Krawatte glatt und beginnt innerlich zu strahlen. „Wenn du meinst? Du bist ja der Boss.“ „Yeeeeees. Genau das bin ich, Lass mich jetzt bitte alleine.“ Müller dreht sich um und zieht regelrecht beschwingt von dannen.

Boltshauser drückt sich lange seine Fingerkuppen in die Augen, erhebt sich dann schwerfällig von seinem Chefsessel und schlendert seufzend zum an seinem Büro angrenzenden Showroom. Aus einem Regal zieht er ein paar sehr mephistoähnliche Schuhe hervor und hilft sich, nachdem er seine Lackschuhe ausgezogen hat, mit einem Schuhlöffel hinein. „Passt“, denkt er zufrieden. Und sich selbst Mut machend schiebt er nach: „Und erst noch saubequem.“ Bevor er aber den Raum für seine Vormittagsrunde verlässt, steht er kurz zu einer Anziehpuppe hin und streichelt ihr liebevoll über die neongelbe Funktionsjacke.