Bakterium L

  • Post published:26. April 2020

Bakterium L lächelte still in sich hinein. Wie der Name schon sagt, war es ein Bakterium. Das L gesellte sich eher beiläufig hinzu, weil es im Stockwerk L des Inselspitals lebte. Sein Leben war nicht ganz ungefährlich, wurde doch gewischt und desinfiziert, was das Zeug hält. Jetzt hatte L wie es die Kollegen Q & B nur nannten aber einen Bombenplatz ergattert und zwar quasi in der Höhle des Löwen wie L nicht ohne Stolz zu sagen pflegte. Es sass weder auf einem der obligatorischen Uhren noch gelüstete es ein Abfallkübel oder ein Nachttischlämpli, nein L sass auf einem Desinfektionsspender. Einfach so, obendrauf auf der Abdeckung. Dort, genau dortwar ihm aufgefallen, dass Frau Gertschen nie abstaubte. Und wo nicht feucht abgestaubt wurde, da konnte L sich ausbreiten. Nun war das vorerst ein Gaudi für L so viele L1, L2, L3s aus sich heraus zu produzieren. L liebte die Geschwindigkeit seines Bioprogramms: Bei 25 Grad, 100 Minuten ohne Vorwäsche und Schleudern quasi. Flotte Sache. Endlich Verwandtschaft, dachte L. Nur aus der ersehnten Party wurde dann doch nichts, denn L1, L2, L3 etcetera verhielten sich wie ein Kindergarten – die Umgebung war für die Jungspunde schlichtweg zu fade, „zu clean, Alter“ wie sie sogar im Chor monierten. Natürlich versuchte L ihnen den Ort dennoch schmackhaft zu machen: regelmässige Mahlzeiten, tolle Aussicht, anfällige menschliche Körper. Gerade Letzteres müsste doch für die Jungen eine tolle Spielwiese sein. Aber da erinnerte sich L, wie es selbst als Jugendlicher gewesen war. Alles was nicht in 5cm Distanz vor Dreck erstarrte, war einfach nicht attraktiv gewesen. Und so liess L die anderen ’s gehen und wünschte ihnen viel Glück. Wieder alleine wusste L, dass es es morgen mit dem Vermehren und Zusammenleben wieder probieren würde, dass es aber heute Abend mit den anwesenden Patienten die Stille und eventuell auch noch einen Krimi auf einem der Minidisplays geniessen würde. 

P.S: Geschrieben im Mai 2019 nach einem Aufenthalt im Inselspital…vor der Coronakrise.