Es gibt doch im Deutschen, wenn eine «gebärfreudige» Frau in rascher Folge Kinder auf die Welt bringt, diese despektierliche Aussage: «Na, das gibt’s doch nicht. Jetzt hat die schon wieder ein Kind im Ofen», oder? Genau. Und wie ein ofenwarmes Brot sich anfühlt, wie es atemberaubend riecht, wie die Kruste kracht beim Reinbeissen, wie die Butter und der Honig wie ein Gemälde eines mäandrierenden Flusses darauf zerfliessen, das kennen Sie auch? Dieses Wohlfühlkuddelmuddelabbild? Gut. Dann bringen wir das jetzt mal zusammen. An einem Samstagmorgen vor nicht allzulanger Zeit öffnete ich leise die Eingangstüre zur Wohnung meiner Kinder. Ich war zum Frühstück eingeladen worden, wusste aber, dass ich mit meiner Ankunft um 09.30 Uhr eventuell etwas früh dran war, wenn es bei ihnen im Gegenzug am Samstagabend etwas länger gedauert hatte. Es empfing mich ein singsangiges «Haaaallo» von meinem Sohn Simon und ein «Tschou Stuwi» sowie Brottütengeraschel von meiner Ex-Partnerin Martina. Vom Wohnungseingang her sah ich durch die angelehnte Türe ins Zimmer Martinas und auf einem Kissen auf dem Bett zusammengerollt wie eine Schnirkelschnecke liegend meine fast 9-jährige Tochter Livia. Sie schlief den Schlaf der Gerechten. Wie gerecht das allerdings ihre Mutter gefunden haben musste, wusste ich nicht. Da im Hintergrund aber bereits vor dem Frühstück die Kaffeemaschine zu rattern begann, dürfte die Freude über den nächtlichen Besuch eher bescheiden ausgefallen sein. Als ich mich auf den Bettrand setzte, öffnete Livia ihre Augen und guckte mich freudig an. Dann sagte sie: «Papa, itz muesch lose.» Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange, schnüffelte kurz in ihren Haaren, begann ihr über die Stirn zu streicheln und fragte lächelnd: «Ja, was denn, meine Liebe?» Was dann folgte, war genial, denn Livia erzählte mir bis ins kleinste Detail ihren soeben im Schlaf noch erlebten Traum. Ein Drehbuchautor hätte Purzelbäume geschlagen vor Freude, denn die Geschichte war nicht nur astrein logisch linear erzählt, sondern auch an Witz, Spannung, Dreh- und Angelpunkten sowie an Pferdeaction kaum zu überbieten. Ich sass bestimmt eine halbe Stunde nur da, hörte zu, lachte mit meiner Tochter um die Wette und konnte mein Glück vor lauter Jetzt und Präsenz in diesem einen Augenblick kaum glauben. Klar, dass er dann kam, der Gedanke, oder? Beziehungsweise, dass die eingangs erwähnten (kruden) Gedanken an Kinder im Ofen und ofenwarmes Brot sich zu einem Folgegedanken formierten, zum Gedanken, dass es nichts, absolut nichts Schöneres auf dieser Welt gibt, als ein ofenwarmes Kind zum Sonntag(s)morgen(frühstück).