Schau mir in die Augen…

  • Post published:9. September 2020

Ein bisschen wie in Gotham City im Superheldendichtestress ist es ja schon, seit wir alle am Bahnhof, im Zug oder Bus maskiert rumlaufen. Vielleicht nicht so einfallsreich bunt wie im Marvel-Comic, sondern eher babyblau-weiss-uniform aber dennoch. Unsere Mimik ist dadurch natürlich am Arsch. Laut jüngsten Medienberichten soll dies Depressiven besonders zu schaffen machen. Weil, Mensch interagiert nun halt einmal nicht nur über die Stimme, sondern auch über sein Frittenspiel (und natürlich über die Gestik beziehungsweise über den noch engeren Körperkontakt, der durch die 1.5 Meter räumliche Distanz ja ebenfalls heftig Flöte gegangen ist – Heilsarmee-Hug hin oder her). Neulich musste ich mir aber eingestehen, dass das Ganze auch Vorteile hat. Erstens sieht man bedeutend weniger „möffe“ Gringe im ÖV. Zweitens wird weniger gegessen und getrunken. Heisst: weniger Geschmatz, Geschlürf und Gegurgel sowie weniger olfaktorischer Dürümstress. Und drittens: Man guckt sich wieder mehr direkt in die Augen – eine Fähigkeit, die mir durch das bescheuert potent Ablenkung bietende Handy ein wenig abhandengekommen ist (wem schon nicht?), was wiederum jammerschade ist, denn da gibt es eine Menge zu entdecken. Wie jüngst, als sich in der leeren S6 Richtung Köniz eine sportlich gekleidete Frau mit Rucksack und Kletterseil zu mir ins Abteil setzte und mich etwas gar lange anguckte, bis ich zurückguckte und mich Sidi-Abdel-Assar-vo-El-Hama-mässig von ihren bernsteinfarben leuchtenden Augen paralysieren liess. Natürlich tat ich dann das, was ich in solchen Situationen immer tue. Ich… ich… ich dachte angestrengt über ein Kompliment nach, das „me-too“-konform sein könnte, dachte darüber nach und darüber nach… bis ich schliesslich das Tagi-Magi aus meiner Umhängtasche zog und angestrengt zu lesen begann.