Egal, wen man fragt, fragt man nach den persönlichen Highlights aus dem Sommer 2016, der wird zur Antwort erhalten: «Das war doch damals, als Shaq, dieser Teufelskerl, an der EM in Frankreich gegen die ultraspröden Polen in der 82. Minute per mirakulösem Seitenfallrückzieher den Ausgleich erzielt und uns damit wenigstens eine Verlängerung geschenkt hat, bevor wir Schweizerkäslis wieder einmal grandios ein Elfmeterschiessen verkackten.» Heisst im Umkehrschluss: Niemand, niemand, bis auf die lediglich etwas mehr als 10 Millionen Portugiesinnen und Portugiesen vielleicht (inklusive Ronaldo natürlich, der in seinen regelmässig wiederkehrenden feuchten Träumen mit einbandagiertem Knie den Henri-Delaunay-Pokal hochstemmt), erinnert sich daran, dass Portugal damals die Fussball-Europameisterschaft gewann.
Aber an deine Treffer, Shaq, an die erinnern sich alle. Was für ein Zauberfüsschen du doch hast, für das dich, egal welcher Fancouleur man jetzt vom Genfer- bis zum Bodensee auch angehört, jeder schätzt. Du gehörtest nie nur dem FC Basel, in dessen Biotop du nun nach langen Wanderjahren in ausländischen Ligen zurückgekehrt bist, sondern uns allen. Zum Abschluss deiner Nati-Karriere an der EM 2024 in Deutschland schenktest du uns, wie könnte es auch anders sein, gegen Schottland noch einmal so einen unnachahmlichen One-Touch-Wahnsinnsball zum 1:1 Endstand. Dass in der Nachspielzeit gegen England im Viertelfinale dein Versuch, den Corner direkt zu verwandeln, lediglich am Pfosten landete, schmälerte die Freude darüber, dass du es mit dieser kleinen Frechheit versucht hattest, in keiner Art und Weise. Es zementierte vielmehr deinen Ruf als «Zauberzwerg», als «Kraftwürfel» oder wie man dich im nahen Ausland auch gerne nannte, als «Alpen-Messi». Nachdem du dich in den letzten zwei Monaten, wohl noch etwas erschöpft vom burgerlastigen Amerika-Abenteuer bei Chicago Fire, ein wenig auftrainiert hattest, hast du Verpasstes gegen den bemitleidenswerten FC Winterthur auch noch nachgeholt, damit sicher niemand auf die Idee kommen könnte, zu behaupten, solche Spielchen gingen auf höchstem Super-League-Niveau dann nicht mehr (wobei, vielleicht ist «von höchstem Niveau» zu sprechen, in der Super League etwas gar vermessen, wenn man sich im Vergleich zu den nördlichen, südlichen und westlichen Nachbarsligen das niedliche Tempo oder die bisweilen stümperhafte Balltechnik hierzulande anschaut. Was aber nicht heisst, dass ich diese Liga nicht schätze. Im Gegenteil, ich verfolge sie sogar ziemlich genau. Nicht zuletzt, um jeweils am Montagabend als vorgegriffenes Wochenhighlight den Podcast «Dritte Halbzeit» mit dem präzisesten und humorvollsten Fussballjournalisten aller Zeiten, Florian Raz, mitverfolgen zu können).
Womit wir beim grössten Kritikpunkt angelangt wären, der dich schon während deiner ganzen Karriere verfolgt: deine mangelnde Ernsthaftigkeit. War oder ist ein Match vorüber – egal, ob gewonnen, ob Remis gespielt oder verloren – fandest und findest du als Erster dein typisches Lächeln auf den Stockzähnen wieder. Du ulkst dann mit Mit- oder Gegenspielern herum, posierst mit Fans auf deren Selfies strahlend um die Wette oder verschenkst grossonkelgönnerhaft dein vollgeschwitztes Liibli. Nicht selten hört man im Nachgang solcher Vorkommnisse von den selbsternannten Experten auf blue Sport, SRF etcetera, der Shaq, dem hätte es doch mit seinen grandiosen Anlagen eigentlich zu einer viel grösseren Laufbahn gereichen müssen. Aus meiner Sicht spricht da aber nur der Neid. Einerseits vergessen diese alten weissen Männer nämlich, dass es bei jedem Verein (also auch bei einem FC Bayern oder FC Liverpool), der Meister wird oder andere grosse Erfolge feiert, geduldige und auf den Punkt X einsatzbereite Nebenfiguren braucht, die ohne zu murren auf der Bank Platz nehmen und welche, notabene ohne einen grossen spielerischen Abfall zu bewirken, jederzeit eingewechselt werden können. Andererseits unterschätzen sie, lieber «Shaq Attaq» deine Wirkung auf das Fussballgeschehen ganz allgemein. Mit deinen Mätzchen auf und deinen schlagfertigen Sprüchen neben dem Rasen zeigst du uns nämlich, was heute im Bierernst der Ultra-Fankurven und bei den Besserwisser-Interpretationsaposteln oft vergessen geht: Auch wenn Fussball ein riesiges Business geworden ist, er ist eben doch stets nur eins: ein Spiel!
In diesem Sinne, Xherdan, sprich bitte wie jüngst im Sportpanorama weiter frisch von der Leber weg über die dir eigene «Spitzbuebigkeit» oder darüber, dass du «mental relativ sehr stark» bist, zimmere Freistösse ins Lattenkreuz oder schick mit einem genial-butterweichen Lupfer Bennie Traoré in die Tiefe. Wenn du es einrichten kannst einfach nicht gegen meine Young Boys. Denn auch wenn wir Fussballfans dir wegen deiner Fähigkeiten und deiner Art so ziemlich alles vergeben.
Es gibt Grenzen.